Identitäten

Am Beispiel:

Unter Identität verstehen wir das Selbstverständnis bzw. die Selbstwahrnehmung der eigenen Person (persönliche Identität) bzw. der eigenen Gruppe (soziale Identität).   Das Gelingen von positiven Identitätserfahrungen ist besonders wichtig für die persönlicher Verankerung des einzelnen bzw. das Zusammengehörigkeitsgefühl in einer  Gruppe.

Identität wird in der öffentlichen Wahrnehmung häufig entweder unterbewertet („Die Menschen sind doch alle gleich.“) oder überbewertet („Ich gehöre ausschließlich einem Kollektiv an.“). Besonders großen Anklang findet diese Theorie der „singulären“ Zugehörigkeit von Menschen bei TheoretikerInnen, die die Weltbevölkerung gern in verschiedene Kulturen aufteilen. Man schafft die kniffligen Fragen der pluralen Gruppen dadurch aus der Welt, indem man jeden Menschen in genau eine Zugehörigkeit presst und die ganze Fülle eines reichen menschlichen Lebens schematisch auf die Behauptung reduziert, der Mensch sei von Natur aus in nur einem Rudel situiert.“

Verletzungen der Identität führen zu Gewalt

Nach tiefgreifenden Verunsicherungen bzw. Verletzungen von Identitäten kommt es häufig zu Gewaltausbrüchen, die in diesen Fällen von besonderer Intensität, Irrationalität und Grausamkeit gezeichnet sein können. „Kaum ein psychisches Negativerlebnis reizt Menschen so leicht zur Gewalt wie der Zorn über vermeintliche oder wirkliche Angriffe auf ihre Selbstachtung.“ Aus verletztem Stolz werden Affektmorde begangen, Kriege angezettelt, Bomben gelegt und Sprengstoffgürtel umgeschnallt.#

Besonders in nicht genau geklärten Identitätskonstruktionen kommt es häufig zu Gewalt-Ausbrüchen. Die „Vernichtungs- und Tötungsgewalt scheint regelmäßig desto radikaler zu werden, wenn die Grenze zwischen Wir- und Sie-Gruppe nicht völlig klar ist.“# Gerade Personen bzw. Personengruppen, deren ethnische Herkunft nicht eindeutig ist, versuchen daher häufig, diese Un-Eindeutigkeit zu verdrängen und eindeutige Grenzen – auch mit Gewalt – zu markieren. Auf Grund dieses Übergangscharakters sind Grenzregionen sowie Menschengruppen mit ungeklärten bzw. kulturell negativ besetzten Identitätsmerkmalen in kriegerischen Auseinandersetzungen besonders bedroht bzw. umkämpft.

Der ethnische Aspekt wird häufig überbewertet

In der öffentlichen Wahrnehmung und der Berichterstattung über Ursachen von Kriegen wird der ethnische Aspekt häufig überbetont. Dabei spielen andere Identitätsformen eine genauso große, in vielen Fällen sogar eine weit wichtigere Rolle. Dass es  z. B in Afghanistan auch um Fragen der Geschlechter-Zugehörigkeit geht, ist noch mehr bekannt als die Tatsache, dass in Ruanda soziale Identitäten von Hutu und Tutsi ein besonders große Rolle spielten, dass der Krieg im ehemaligen Jugoslawien auch eine Krieg zwischen Land- und Stadtbevölkerung war und dass der rassisch definierte Nationalsozialismus auch einen Krieg gegen andersdenkende und andersfühlende Menschen geführt hat.

Identitätsformen:

  • Geschlecht
  • Religion
  • Ethnische Zugehörigkeit
  • Sprache
  • Soziale Schicht
  • Generation
  • Beruf, Ausbildung
  • Politische Einstellung
  • Sexuelle Einstellung
  • Regionale Herkunft
  • Vereine, Verbände
  • u. v. m

(red)

Quellen, Links und Lesetipps:

Amartya Sen: Die Identitätsfalle. Warum es keinen Krieg der Kulturen gibt. München: C. H. Beck, 2007

Dorothee Frank: Menschen töten. Düsseldorf: Walter Verlag, 2006

Harald Welzer: Täter. Wie aus ganz normalen Männern Massenmörder werden. Frankfurt am Main: S. Fischer-Verlag, 2005.

Lida van den Broek: Am Ende der Weisheit. Vorurteile überwinden. Orlanda Frauenverlag, 1988

Wulf D. Hund: Rassismus. Die soziale Konstruktion natürlicher Ungleichheit. Münster: Westfälisches Dampfboot, 1999

DVD: Kopftuch und Minirock. Regie: Jana Mathes, Andrea Schramm, 30min. Deutschland 1998. Zu entlehnen bei www.baobab.at

DVD: Respekt statt Rassismus. Hrsg.: Filme für eine Welt/Bildungssteller der AG Hilfswerke, Schweiz 2004. Zu bestellen bei www.baobab.at.

Helga Huber. Fremd im eigenen Land? Arbeitsheft, Berlin: Cornelson 2004.

Lothar Dittmer, Weggehen. Ankommen. Migratioin in Geschichte. Hamburg: edition Körber-Stftung 2002

Sommer, G. & Fuchs, A. (2004) : Krieg und Frieden – Handbuch der Konflikt- und Friedenspsychologie. Weinheim: Beltz

Bildquelle: 

stockata.de  (abgerufen am 17.1.2021)